Die Sächsische Zeitung berichtet am 19.03.2015:
Für ein Date zum Arbeitsamt
Mit einem neuen Konzept versucht die Arbeitsagentur, Jugendliche und Unternehmen zusammenzubringen.
Von Andrea Schawe
Zehn Minuten können das Leben verändern. Danach könnten die Chancen auf eine Ausbildungsstelle gestiegen sein – beim Speed-Dating in der Freitaler Agentur für Arbeit. 15 Unternehmen aus Freital, Dippoldiswalde und Umgebung stellten sich gestern etwa 60 Jugendlichen vor. Das Prinzip ist einfach: Die Jugendlichen wählen aus, für welche Berufe sie sich interessieren. Jedes Unternehmen hat ein eigenes Zimmer. Wenn ein Pfeifen erklingt, schließen sich die Türen zu den Büros und die Jugendlichen haben zehn Minuten, um mit dem Unternehmen zu sprechen und die Berufe kennenzulernen. Bis wieder ein Pfiff ertönt. Dann wird gewechselt.
Margarita findet das Konzept gut. Die 26-Jährige sucht nach einem abgebrochenen Studium eine Ausbildung im sozialen Bereich. Sie könnte sich gut vorstellen, als Physiotherapeutin oder Krankenpflegerin in der Klinik Bavaria zu arbeiten. Sie hat die zehn Minuten genutzt, um alle ihre Fragen loszuwerden. Was sind die Voraussetzungen für die Ausbildung? Welchen Abschluss brauche ich? Wie sieht es mit der Vergütung aus?
Muss ich Schulgeld zahlen? „Es lief gut“, sagt sie nach ihren Dates. „Die Leute waren sehr kompetent.“ Sie wird sich vielleicht an der Schule der Klinik Bavaria bewerben.
„Das wäre das beste Ergebnis“, sagt Arbeitsagentur-Sprecherin Iris Hoffmann. Die Agentur veranstaltet zum ersten Mal ein Speed-Dating. „Die Unternehmen sind offen für diese Idee.“ Denn für sie ist es immer schwieriger, Auszubildende zu finden. Ende September 2014 waren 78 Ausbildungsstellen nicht besetzt, 44 Jugendliche im Landkreis hatten keine Stelle gefunden. Dabei ist das Verhältnis von Ausbildungsstellen und Bewerbern rein zahlenmäßig nahezu ausgeglichen. Aktuell kann man sich im Landkreis in 130 Berufen ausbilden lassen. „Aber die Berufswünsche bleiben immer gleich“, sagt Hoffmann. Beim Speed-Dating könnten die Bewerber sich auch mal umschauen und sich über Betriebe informieren, bei denen sie sich sonst nicht beworben hätten.
Auch Jacqueline Reichelt von der Spedition Alfred-Hanitzsch in Kesselsdorf kennt das Problem. „Wir bekommen immer weniger Bewerbungen“, sagt sie. Der Betrieb bildet seit vielen Jahren Berufskraftfahrer, Fachkräfte für Lagerlogistik und Kaufleute für Spedition und Logistik aus. Früher seien fast 50 Bewerbungen auf die Ausbildungsstellen eingegangen, heute nur drei. „Die Bewerber können sich mittlerweile aussuchen, in welchem Betrieb sie ausgebildet werden“, sagt Reichelt.
Deswegen ist das Speed-Dating für die Alfred-Hanitzsch-Spedition eine gute Möglichkeit, das Unternehmen vorzustellen. „Speed-Dating ist mal was Neues“, sagt Reichelt, die Assistentin der Geschäftsführung ist. Sie kann sich zusammen mit dem Ausbildungsverantwortlichen Michael Thasler in kurzer Zeit viele potenzielle Azubis anschauen. Bewerbungsunterlagen seien da erst einmal nicht ausschlaggebend. „Der erste Eindruck zählt mehr“, sagt Thasler. Er fragt nach Hobbys, Interessen, Vorstellungen vom Beruf.
In der ersten Stunde schloss sich die Tür zum Büro der Spedition dreimal. „Das sind aufgeschlossene junge Leute“, sagt Reichelt. „Alle haben großes Interesse, etwas zu finden. Das ist für uns von Vorteil.“ Einer der Jugendlichen hätte in den nächsten Tagen ein Vorstellungsgespräch in der Spedition gehabt. „Das haben wir direkt vorgezogen“, sagt Reichelt. Bei einem anderen würden sich Reichelt und Thasler über Bewerbungsunterlagen freuen. „Wenn es passt, gibt es ein zweites Gespräch in der Firma“, sagt Jacqueline Reichelt. Im Idealfall führt das Speed-Dating direkt zum Ausbildungsvertrag.
Eine Initiative des Landratsamtes.
Bei dem Vorhaben handelt es sich um ein vom Sächsischen Staatsministerium des Innern gefördertes Projekt nach der Richtlinie FR-Regio.